Süddeutsche Zeitung – Wer gewinnt hier?

In Feldkirchen protestieren Bürger – nicht nur gegen ein Seniorenwohnheim: über Pläne unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Zweifel an Investoren, ungewollte Nähe zur AfD und den „Paten von der Saar“

Nachstehender Artikel is erschienen in der Süddeutsche Zeitung am 29.01.2022. Eine Version mit Bilder ist über SZ-Plus verfügbar.

VON LEO KILZ

Es ist ein bisschen so, als käme ein Vogel aus Spanien geflogen und scheißt alle paar Meter vom Himmel.“ Es sind drastische Worte, mit denen eine Eingeweihte eine Reihe von Immobiliengeschäften zusammenfasst, die seit einigen Monaten die Gemeinde Feldkirchen im Osten von München beschäftigen und hinter denen ein Mann steht, der in der Münchner Gesellschaft noch vor einigen Jahren das Rampenlicht suchte: Michael Schamberger. Der Gastronom und ehemalige Kompagnon von Wiesnwirt Christian Schottenhamel sowie Feinkost-Unternehmer Michael Käfer ist aus Palma de Mallorca in seine alte Heimat Feldkirchen zurückgekehrt, um dort Weiden und Äcker in Seniorenheime, Wohngebiete oder Sportplätze zu verwandeln. Und die Menschen am Ort fragen sich: Was passiert da? Was sind die Absichten? Und vor allem: Wer sind die Geldgeber?

  Es sind Fragen, auf die es bisher keine Antworten gab. Denn die Gemeinde verhandelte mit den Projektentwicklern unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Eine Recherche der SZ zeigt nun, was im Einzelnen beabsichtigt ist. Sie zeigt auch, wer neben Schamberger hinter den Projekten steckt. Es ist eine Geschichte von persönlichen und geschäftlichen Beziehungen, von einem verzweigten Netzwerk und von politischen Verflechtungen. Und es ist eine Geschichte, die Fragen nach Moral und Integrität aufwirft.

Die Projekte

  Der anfangs erwähnte Vergleich mit einem kackenden Vogel ist wenig schmeichelhaft formuliert, aber er verdeutlicht: Als Immobilienentwickler will der ehemalige Gastronom Schamberger sein altes Feldkirchen wachsen lassen. Und zwar „alle paar Meter“, mit mehreren Baustellen. 

  Seit Jahren wird in der Stadtrandgemeinde immer mehr gebaut. An der Raiffeisenstraße entstehen aktuell 79 Wohneinheiten – das bisher größte Bauprojekt in der Geschichte der 7500 Einwohner zählenden Gemeinde. Was Schamberger am Ort seiner Kindheit vorhat, könnte das bald in den Schatten stellen. Besonders stolz ist der frühere Gastwirt auf das „Green Village“: eine nachhaltige, in Holzhybridbauweise gestaltete Wohnanlage, die nach seinem Willen in Feldkirchen entstehen soll. „Die Green Village Feldkirchen GmbH“, schreibt er auf eine Anfrage der SZ, „wird ein ganz tolles Projekt werden, so viel kann ich schon verraten.“

  Außerdem plant der Ex-Feldkirchner und Ex-Münchner Indoor-Sportanlagen auf dem Areal des örtlichen Turn- und Sportvereins – ein sehr attraktives Vorhaben „für alle Tennis- und Sportfreunde“, wie er schwärmt. Auch für das Grundstück des Gasthofs Taubenhuber am Feldkirchner Bahnhof, das schon lange im Familienbesitz der Schambergers ist, scheint er Pläne zu haben. Doch noch läuft der Pachtvertrag mit dem Betreiber, dem Restaurant „Poseidon“. Michael Schamberger möchte „derzeit dazu noch nichts“ sagen. „Der Michi hat schon als kleiner Junge gesagt, dass er ein Hotel in Feldkirchen bauen will. Hotelier eines großen Hauses, das ist sein Kindheitstraum“, erzählt ein ehemaliger Schulfreund. 

  An der dreiecksförmigen Freifläche am Kindergarten Arche Noah ist Schamberger ebenfalls interessiert. Auf Nachfrage bestätigt er, dass er hierzu bereits in Verhandlungen eingestiegen ist. Unter anderem wegen dieser Immobilie sind Schambergers Geschäftspraktiken im Ort umstritten. In den Gesprächen über die Zukunft des Grundstücks fühlten sich Anwohner von Schamberger angeblich unter Druck gesetzt. Dieser bestreitet, Druck ausgeübt zu haben. Die Verhandlungen hätten „in einem professionellen Rahmen stattgefunden“. Was auf der Freifläche geplant wird, bleibt unklar.

Das Seniorenheim

  Und dann ist da vor allem das geplante Seniorenwohnheim an der Münchner Straße. Seit Monaten läuft in Feldkirchen eine rege Diskussion um das Vorhaben. Anwohner halten es für völlig überdimensioniert für die Gemeinde und sprechen von einem tristen „Sterbeheim“ mit vielen kleinen Zimmern, in dem niemand in Würde altern könne. Eine Bürgerinitiative läuft Sturm gegen das Vorhaben. Und die Anwohner protestieren nicht nur zur Rettung ihres sonnigen Spielplatzes: Auf einer Gemeindeversammlung beantragte die Initiative unlängst, die Investoren einer „Integritätsprüfung“ zu unterziehen. Seitdem beschäftigt den Gemeinderat die Frage: Wer sind die Investoren, die hinter dem Projekt stehen? Und sind sie vor allem solvent? Oder drohen Feldkirchen im Zweifel in ein paar Jahren leer stehende Prachtbauten oder, schlimmer noch, Bauruinen?

Die Investoren

  Einer der Investoren für das geplante Seniorenheim an der Münchner Straße ist Michael Schamberger, aber eben nur einer. Insgeheim wird er als „Sprachrohr“ und „Vortänzer“ der anderen bezeichnet. Die drei Finanziers im Hintergrund waren sogar den Feldkirchner Gemeinderäten lange Zeit unbekannt. Bürgermeister Andreas Janson von der überparteilichen Wählergemeinschaft UWV vertröstete die Kommunalpolitiker ebenso wie die Bürger und ließ nur verlauten, die übrigen Investoren würden sich schon noch vorstellen. Geschehen ist das bisher nicht.

  Dass man nicht früher an die Öffentlichkeit herangetreten sei, könnte ein Fehler sein, räumt jetzt die Hauptinvestorin gegenüber der SZ ein. „Ich habe nichts zu verbergen“, sagt Rechtsanwältin Sabina Frohwitter. Zusammen mit Jürgen Seeber und Joachim H. bildet sie die Investorengemeinschaft, die von Michael Schamberger vertreten wird.

  Frohwitter sagt, sie investiere aus Überzeugung in Feldkirchen. Zehn Jahre lang habe sie ihre alten Eltern gepflegt. Die Sorge, ihren Vater nicht angemessen betreuen zu können, die vergebliche Suche nach einem Heimplatz – die zurückliegenden Jahre beschreibt Frohwitter als „Martyrium“. All das habe sie bewegt, eine Senioreneinrichtung zu planen. Auch Schamberger spricht von einer „ganz besonderen Herzensangelegenheit“ und von der Pflege seiner Verwandten, die in Feldkirchen schlicht nicht möglich sei: „Wir müssen dauernd hin und herfahren.“ Denn Feldkirchen hat keine Einrichtungen für Senioren. Schon seit etwa 20 Jahren ist das ein Mangel in der Gemeinde, den die Kommunalpolitik nicht behoben hat.

  Also eine Bilderbuchgeschichte über generöse Investoren, die für ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger das dringend benötigte Seniorenheim bauen? Nicht ganz. 

  Wer sind die Leute, die so groß im kleinen Feldkirchen investieren wollen?

  Da ist, wie erwähnt, zunächst Michael Schamberger. Er ist als Unternehmer nicht unerfahren. Als Gastronom legte der Feldkirchner einst einen rasanten Aufstieg und ebenso rasanten Absturz hin. Ende der Neunzigerjahre wurde er Geschäftsführer des Catering-Service von Wiesnwirt Christian Schottenhamel. Der Aufschwung des Unternehmens in die Sphären der feineren Münchner Gesellschaft begann unter dem jungen Michael Schamberger.

  Zusammen lieferten die beiden Gastronomen Trüffelcreme und Hummercarpaccio an betuchte Kundschaft. Unter den Aufträgen war auch eine Party des Anwaltsehepaares Frohwitter. Gefeiert wurde die Erweiterung der Kanzlei mit Herrschaften aus Adel und Geldadel. Bernhard Frohwitter betreibt eine Sozietät als Patent- und Markenanwalt im vornehmen Altbogenhausen. Sabina Frohwitter hat als Scheidungsanwältin viele prominente Fälle betreut.

  Seit mehreren Jahren ist das Ehepaar Frohwitter geschieden. Um die Jahrtausendwende waren die beiden aus dem Boulevard bekannt, ein Münchner Glamour-Pärchen. Sie lebten auf rauschenden Festen, mit Schwimmhalle unter der Terrasse und einem Wochenendhaus in Kitzbühel. Die Frohwitters haben es zu beachtlichem Wohlstand gebracht und gaben das auch oft der Regenbogenpresse zu Protokoll. Aber die beiden Juristen waren in der Glitzerwelt der Nullerjahre nur ein kleines Kärtchen in der Kundenkartei der Catering-Firmen.

  Im Jahr 2001 belieferten Schottenhamel und Schamberger die Computermesse Cebit, übernahmen den Pausenverkauf im Prinzregententheater und richteten die Hochzeit von Schauspieler Heiner Lauterbach aus. Prestige-Siege in einem Geschäft, in dem Boulevard-Blitzlicht die Währung ist. Im Mai 2002 berichtete die Abendzeitung über exzellente Geschäftszahlen des Unternehmens.

  Doch im Dezember desselben Jahres trennten sich die Geschäftspartner, und Schamberger gründete mit Michael Käfer seine eigene „Catering Company“. Der Feldkirchner wollte ganz oben mitspielen, wollte nach Stuttgart, Barcelona, Prag und Budapest expandieren, empfing 1000 Gäste auf der Münchner Praterinsel und vermietete auf Wunsch Burgen und Beduinenzelte.

  Für möglichst viel Prominenz und Rampenlicht drückte Schamberger die Preise. „Je promi, desto billiger“, wurde eine ehemalige Mitarbeiterin zitiert. Wirtschaftlichkeit musste hinter Glanz und Glamour zu oft zurückstehen: Bald konnte Schamberger seine Rechnungen nicht mehr begleichen. Schon Anfang Februar 2004 meldete er Insolvenz an. Doch selbst für die Kosten des Insolvenzverfahrens war nicht mehr genug Geld da, seine Firma wurde aufgelöst. Gläubiger und Personal warteten vergeblich auf ihr Geld. Auch der Versuch, am Spreeufer gegenüber dem Kanzleramt in Berlin ein Restaurant zu betreiben, scheiterte.

  Im Jahr 2007 war Schamberger an der Online-Gastro-Plattform Starcookers beteiligt. Neben Rezepten von Sterneköchen fanden sich dort Produktempfehlungen, Gourmet-Reisen und Folgen der RTL-II-Serie „Die Kochprofis“. Die Starcookers international GmbH hatte ihren Sitz im Schweizer Steuerparadies Zug. Als Geschäftspartner damals mit dabei: Sabina Frohwitter. Doch auch das neue Unternehmen war schnell am Ende. Im August desselben Jahres wurde das Konkursverfahren eingeleitet.

  Danach wurde es ruhig um Michael Schamberger, er wanderte nach Palma de Mallorca aus.

  Das sei alles lange her, sagt Sabina Frohwitter. Schamberger habe aus seinen Fehlern gelernt. Sie lobt ihn als kreativen Unternehmer. Ursprünglich hätten beide geplant, auf Mallorca eine Seniorenresidenz zu errichten. Michael Schamberger selbst lässt ausrichten, er wolle sich auf seine neuen Projekte konzentrieren, die mit der Vergangenheit nichts zu tun haben.

  Über Jürgen Seeber, den Dritten im Bunde, ist wenig bekannt. Der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater führt eine Kanzlei in Unterschleißheim. Der vierte Mitinvestor Joachim H. hingegen ist kein Unbekannter. Der 77 Jahre alte pensionierte Banker war bis 1997 im Vorstand der Bayerischen Hypo-Bank. Ein Jahr später gründete er sein eigenes Bankhaus in Hallbergmoos. Weil in einer Bilanz seines alten Arbeitgebers 3,6 Milliarden D-Mark fehlten, musste H. 1999 seinen Job aufgeben. Der Bilanzskandal, den H. zusammen mit allen anderen Ex-Vorständen verantwortete, wurde als Hypo-Affäre bekannt. Vorher hatte H. eine Bilderbuchkarriere in Deutschlands Privatbanken hingelegt und sich vom einfachen Bankangestellten bis in den Vorstand hochgearbeitet. Sabina Frohwitter sagt, sie schätze Joachim H. als integre Persönlichkeit und als langjährigen Freund.

  Joachim H., Jürgen Seeber, Sabina Frohwitter und Michael Schamberger – alle vier stehen als Gesellschafter hinter der Münchner Straße 22 Feldkirchen Immobilien GmbH & Co KG. Die Firma wurde Anfang März 2021 gegründet. Bereits Ende 2019 – das Grundstück war noch nicht einmal auf dem Markt – hatte das Investorenquartett Kaufverhandlungen aufgenommen.

Der Verkauf

  Das von Schamberger vertretene Quartett war nicht der einzige Interessent für das Grundstück am westlichen Ortsrand. Ein Aspirant ließ die Finger davon, nachdem ihm aus dem Rathaus keine Chance eingeräumt worden war, seine Pläne zu verwirklichen – mit Verweis auf den Bebauungsplan. In diesem ist eine Häuserzeile mit zwei Etagen Gewerbefläche vorgesehen. Nur bei zwei kleineren Einheiten in der zweiten Reihe erlaubt die Gemeinde eine reine Wohnbebauung. Ansonsten soll Wohnraum erst im Dachgeschoss möglich sein, schräge Satteldächer sind ein Muss. Alles in allem Konditionen, die für Investoren wenig interessant sind. 

  Die Pläne von Schamberger und Co. stehen mit den Vorgaben des gemeindlichen Bebauungsplans aber alles andere als im Einklang. Sie sehen ein Alten- und Pflegeheim vor, das deutlich massiver, länger, höher und breiter ist als die ursprünglich vorgesehene Bebauung. Die Geschossflächenzahl würde sich in etwa verdreifachen. Die neuen Eigentümer könnten auf diese Weise eine erhebliche Wertsteigerung des Grundstücks verbuchen.

  Dass Frohwitter und ihre Mitinvestoren ein Seniorenheim planen, dürfte kein Zufall sein. Von anderen Interessenten heißt es, der Bürgermeister habe klar kommuniziert, dass er sich eine Pflegeeinrichtung am Ort wünsche. Wurde deshalb nur den Schamberger-Investoren eine Bebauung in Aussicht gestellt, die als Investment interessant ist? Wurden die Pläne anderer nicht einmal in Erwägung gezogen, während für Schamberger, Frohwitter, Jürgen Seeber und Joachim H. ein neuer, vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt werden soll? Bürgermeister Janson bestreitet das, verweist immer wieder darauf, dass die Planungen noch ganz am Anfang stehen: „Wir haben überhaupt kein Projekt weiterverfolgt“, sagt er. Zu dem Grundstück hätten ihn „unzählige“ Anfragen erreicht, schnell habe er daher eine klare Marschroute vorgegeben: „Wir haben zu allen gesagt, dass es einen Bebauungsplan gibt, und solange das Grundstück nicht verkauft ist, sprechen wir mit niemandem.“

  Nur mit Grundstückseigentümern, nicht mit Kaufinteressenten – so die Regel für alle – sei die Gemeinde also in Gespräche eingestiegen. „Ich hätte auch mit den Voreigentümern gesprochen, da war auch mal einer da, aber nie sind alle Eigentümer zusammen zu mir gekommen“, sagt Janson.

  Dass ein Kaufvertrag ohne Zusage des Bürgermeisters zustande gekommen ist, halten Kenner der örtlichen Gegebenheiten für unwahrscheinlich. „Niemand kauft ein Grundstück als Überraschungsei“, sagt ein Insider. Die Münchner Straße 22 war für 9,5 Millionen Euro beim Makler gelistet – ein beachtlicher Preis für ein Überraschungsei.

  Bürgermeister Janson relativiert seine Rolle. Die Entscheidung, was an der Münchner Straße gebaut werden dürfe, betont er, treffe am Ende ohnehin der Gemeinderat. „Wenn der Gemeinderat sich ein Projekt nicht vorstellen kann, brauche ich es auch gar nicht weiterverfolgen.“

  Janson und Schamberger kennen sich seit Kindertagen. Andi, der heutige Bürgermeister, und Michi, der Investor, gingen zusammen zur Grundschule, in dieselbe Klasse. Ihr heutiges Verhältnis, sagen beide, sei rein professionell. Zwischen der Bekanntschaft in Kindertagen und heute lägen etwa 30 Jahre, in denen man keinen Kontakt gehabt habe. Zudem würde das Bauplanungsverfahren durch die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bauamt geführt.

  Nach fünf Sitzungen beschloss der Bauausschuss im Mai 2021 unter Ausschluss der Öffentlichkeit, für die Seniorenheim-Pläne des Investorenkollektivs einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Fast gleichzeitig wurde Schamberger mit Bauplänen auf dem Grundstück gesehen. Die Gründung der Münchner Straße 22 Feldkirchen Immobilien GmbH & Co KG lag da schon fast zwei Monate zurück. Schon 2019 – das Grundstück war noch nicht einmal auf dem Markt – hatten Schamberger und Partner mit der Erbengemeinschaft über den Kauf des Grundstücks verhandelt.

  Seitens der Gemeinde wurden alle Fristen eingehalten, die Beschlüsse im Gemeinderat ordnungsgemäß gefällt und bis heute ist kein rechtsgültiger neuer Bebauungsplan aufgestellt und keine Baugenehmigung erteilt. Fraglich ist nur, warum Schamberger sich seiner Sache so sicher sein konnte, dass bereits im März 2021 die dazugehörige Immobiliengesellschaft im Unternehmensregister eingetragen wurde und schon im Mai detaillierte Pläne fertig ausgearbeitet waren.

  „Wir sind in Vorleistung gegangen“, teilt Michael Schamberger schriftlich mit, „weil wir überzeugt waren und auch weiterhin sind, dass eine solche Einrichtung in Feldkirchen dringend benötigt wird.“ Zusagen des Bürgermeisters habe es keine gegeben, aber „positive Rückmeldungen“ aus den zuständigen Stellen im Landratsamt.  

Die Gesellschaften

  Die Münchner Straße 22 Feldkirchen Immobilien GmbH & Co KG ist jedoch keineswegs die einzige Gesellschaft, die Schamberger in und für Feldkirchen gegründet hat. Für ihre Projekte gründeten er und seine Geschäftspartner vielmehr eine ganze Reihe von Firmen.

So wurde im Mai 2021 der Gasthof Taubenhuber an die BE JACC Feldkirchen GmbH & Co. KG mit Sitz in Grünwald verkauft. Die Firma gehört zu den Beteiligungsgesellschaften von Bernhard Frohwitter und weiteren seiner Familienangehörigen. Michael Schamberger gründete daraufhin auf Mallorca die Taubenhuber Vermögensverwaltungs S.L. Dieser spanischen Holding gehört auch die Green Village Feldkirchen GmbH. Zusammen mit Sabina Frohwitter führt Schamberger außerdem ein weiteres spanisches Unternehmen: SAMI Equity S.L. Eine weitere Firma, die Hofgarten GmbH, bezeichnet Schamberger als „Vorratsgesellschaft“.

  Aber auch die Familie des Feldkirchner Landwirts Alexander W. hat in jüngster Zeit Firmen gegründet. In der offensichtlichen Erwartung größerer Geldeingänge richteten Mitglieder der Familie W. drei verschiedene Vermögensverwaltungsgesellschaften ein. Nicht ohne Grund: Gegenüber dem geplanten Seniorenheim will die Investorengemeinschaft eine Unterkunft für die dort beschäftigten Pflegekräfte bauen, um den Standort attraktiver zu machen und die begehrten Fachkräfte nach Feldkirchen zu lotsen. Das Grundstück gehört, ebenso wie weitere Flächen, an denen Schamberger interessiert sein soll, eben jener Bauernfamilie. Landwirt Alexander W. ist übrigens Mitglied in der Unabhängigen Wählervereinigung, der Gruppierung von Bürgermeister Janson. 

Die umstrittene Beraterin

  Bei ihren Unternehmensgründungen nahmen Schamberger und Frohwitter die Hilfe von Beata Baróth in Anspruch. Die Münchner Steuerberaterin ist nach eigenen Angaben auf Immobilien und „grenzüberschreitende Tätigkeiten“ spezialisiert. Die Green Village Feldkirchen GmbH firmiert unter der Adresse von Baróths BBC Treuhand- und Steuerberatungsgesellschaft. Dort war auch die heutige Hofgarten GmbH registriert, deren Anschrift inzwischen das Büro von Jürgen Seeber ist. Auch die SAMI Equity S.L. wurde mit Hilfe von Beata Baróth ins Leben gerufen.

  Baróth wiederum stand bereits mehrfach wegen ihrer Nähe zu nationalistischen bis rechtsradikalen Parteien öffentlich im Fokus. Eine Parteispende an die AfD wurde 2013 über ihre Treuhandgesellschaft abgewickelt. In NPD-nahen Online-Medien ist sie auf Fotos mit dem ungarischen Premierminister Viktor Orban zu sehen. Immer wieder tauchen ihre Bilder auf Internetseiten wie der „Sachsen Depesche“ und „Prosperia Laurina“ auf, die dem NPD-Bundesvorsitzenden Frank Franz und seiner Freundin zugerechnet wurden und auf denen Autoren aus dem Neonazi-Milieu veröffentlichten.

  Baróth gilt zudem als enge Vertraute des AfD-Politstrategen Tom R. Wie die Zeit berichtet, setzte sie für ihn eine Kanzlei in Liechtenstein als Treuhänderin ein. R. wird vorgeworfen, Geld von Kleinanlegern über ein Firmengeflecht und eine österreichische Verlagsgesellschaft von NPD-Chef Franz an rechte Politiker geschleust zu haben. Dieselbe Verlagsgesellschaft kooperierte Medienberichten zufolge mit den Internetportalen, auf denen Baróth an der Seite von Orban auftaucht. Auch Artikel über ihre Beratungsgesellschaft finden sich auf den Websites.

  Michael Schamberger teilt auf Anfrage schriftlich mit, ihm seien diese Verbindungen „völlig unbekannt“ gewesen. Über seinen Anwalt ließ er Beata Baróth wissen, er werde die Zusammenarbeit sofort aufkündigen, sollten sich die „Gerüchte“ auch nur in Ansätzen bewahrheiten. Wieso Schamberger die ausführliche Berichterstattung in der Zeit entging, bleibt offen.

  Jürgen Seeber und Sabina Frohwitter reagieren auf Nachfragen zu den offensichtlichen Kontakten ihrer Beraterin schockiert. „Das geht gar nicht“, sagt Frohwitter über eine mögliche Nähe zu rechtsextremen Kreisen und Seeber versichert: „Ich habe mit der Dame nichts zu tun und pflege keine Geschäftsbeziehung zu ihr.“ Alle Investoren distanzieren sich von rechtsextremem und nationalistischem Gedankengut. Auch Beata Baróth lässt über Ihren Anwalt mitteilen, sie distanziere sich von rechts-nationalistischen Parteien und Ansichten. Die Fotos von ihr mit Orban in der „Sachsen Depesche“ und „Prosperia Laurina“ seien aus dem Kontext gerissen und ohne ihr Wissen veröffentlicht worden. Die Vorwürfe in der Zeit weist sie als unwahr zurück. Ihr sei es fremd, nationalistische Parteien zu unterstützen, und sie wisse nicht, ob Tom R. rechte Parteien finanziell unterstützt habe.  

Der „Pate von der Saar“

  Die Ereignisse rund um die geplante Feldkirchner Seniorenresidenz sind bis in die Nebenrollen prominent besetzt. Letzter Protagonist: Hartmut Ostermann. Der bald 70-Jährige ist seit Jahrzehnten einer der großen Player im Geschäft mit Senioren und Gründer der Victors Group, einer der größten privaten Bau- und Betreibergesellschaften von Altenheimen in Deutschland mit mehr als 120 Einrichtungen und über 12 000 Beschäftigten. Das Unternehmen mit Sitz in Saarbrücken wird als möglicher Betreiber des geplanten Seniorenheims gehandelt. Im März 2021 wurde Falk Ostermann, der Sohn von Firmen-Patriarch Hartmut Ostermann, bereits im Feldkirchner Gemeinderat gesehen, als Geschäftsführer der Victors-Tochtergesellschaft SenVital. 

  Auch Ostermann Senior ist in der Vergangenheit mit politischen Verflechtungen aufgefallen. Bekannt ist Ostermann, der selbst FDP-Mitglied ist, im Saarland für seine umfangreichen Spenden an verschiedene Parteien. So spendete er auch an die Grünen und gilt als Architekt der ersten Jamaika-Koalition im Saarland. „Onkel Hartmut“ wie er sich selber nennt, wird auch als „Pate von der Saar“ bezeichnet. Seit 2013 ist Ostermann zum zweiten Mal Präsident des 1.FC Saarbrücken, seine Victors Group ist gleichzeitig Hauptsponsor des Vereins. Mehrere Pleiten und Steuerverfahren, selbst einen Untersuchungsausschuss des Saarländischen Landtags überstand er unbeschadet. Mietverträge wurden verlängert, Steuern nachgezahlt, Verfahren eingestellt. Der Untersuchungsausschuss blieb ergebnislos.

  Bevor Hartmut Ostermann sich an der Saar niederließ, war er in den Neunzigerjahren Vorsitzender der FDP in Vaterstetten. Dort betrieb er den Seniorenwohnpark. Dieser wird inzwischen von der Familie von Ostermanns ehemaligem Geschäftspartner Henning Conle betrieben – einem der größten AfD-Spender.

Der Kontakt zur Victors Group, erzählt Jürgen Seeber, sei zufällig entstanden – „auf dem Gang oder in der Tiefgarage“. Ein kleiner Verwaltungssitz der Unternehmensgruppe liegt durch Zufall Tür an Tür mit Seebers Kanzlei in Unterschleißheim.

  Alles fügt sich wie ein Puzzle zusammen: die alten Freunde, die zusammen investieren wollen; ihr Plan, ein Seniorenheim zu errichten; der Wunsch des Bürgermeisters, etwas für die Senioren im Feldkirchen zu tun; die alte Schulkameradschaft zwischen Rathauschef und Investor; ein Büro der Victors Group im selben Haus wie Seebers Kanzlei.

Die Politik

  Es könnte der perfekte Zufall sein. Dass daran Zweifel bestehen, dürfte nicht zuletzt an der Verfahrensweise im Feldkirchner Rathaus liegen. Mehrere Gemeinderäte bedauern, dass fast alle großen Bauprojekte unter Ausschluss der Öffentlichkeit besprochen werden. Über den Inhalt der Beratungen in nichtöffentlicher Sitzung sind Gemeinderäte wiederum gesetzlich zum Schweigen verpflichtet. Damit würden Debatten der Öffentlichkeit entzogen.

Im Dezember brachte die SPD-Fraktion ein „Transparenzpaket“ in den Gemeinderat ein. Der Antrag sah vier verschiedene Maßnahmen für mehr Transparenz in Feldkirchen vor, darunter auch, dass die Gemeinde Mitglied der Organisation Transparency International werden soll. Heinz-Josef Reiser, der Geschäftsleiter im Rathaus, sah seine Integrität in Frage gestellt. SPD-Ortsvorsitzender Christian Wilhelm beschwichtigte, die Initiative sei „in keinster Weise ein Fingerzeig, wir wollen keinem etwas unterstellen“. 

  Bürgermeister Janson hat wenig Verständnis für das Misstrauen der Bevölkerung: „Die Leute denken immer, da sei vorher schon etwas ausgemacht, aber dem ist nicht so.“ Er hat ein Beratungsunternehmen damit beauftragt, die Bürger an den Planungen für das Seniorenheim an der Münchner Straße zu beteiligen. Das soll die hitzigen Debatten beruhigen.

  Die Frage aber wird bleiben: Wer wird am Ende profitieren? Der Ort und seine Einwohner? Oder eine Handvoll Investoren und Grundeigentümer?

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